Frank W. Stahnisch



Professor für Medizingeschichte und die Geschichte des Gesundheitswesens, University of Calgary (Kanada)

Aufenthalt am Forschungskolleg Humanwissenschaften:
Juni‒August 2016; Mai-August 2023

Forschungsthema am Forschungskolleg Humanwissenschaften:
»Die Verzweiflung großer Denker: Die Zwangsmigration deutscher Neurowissenschaftler nach Nordamerika, 1933‒1989«

Projektbeschreibung:
Mein Forschungsprojekt siedelt sich an der Stelle an, an der für die Entwicklung der Neurowissenschaften (hier als eines unter mehreren wichtigen Beispielen biomedizinischer Forschung) für das 20. Jahrhundert die sogenannte »Brain Gain Thesis« entworfen und in der Forschungsliteratur breit diskutiert worden ist. Darunter wird oft in eher unkritischer Weise der »Zuwachs« und »Erfolg« wissenschaftlicher Produktivität im angelsächsischen Raum seit dem Zweiten Weltkrieg insbesondere auf Grund der erzwungenen Migration jüdischer und oppositioneller deutscher WissenschaftlerInnen und ÄrztInnen während des Dritten Reiches verstanden. Die Forschungsliteratur hat nur allzu häufig die intellektuellen, akademischen und institutionellen Dimensionen der Zwangsmigration in Medizin und Wissenschaft in den Blick genommen, aber viel zu selten die individuellen Schicksale und die Anpassungsprobleme vieler emigrierter Psychiater und Neurologen thematisiert – also derjenigen Kohorte, die den Gegenstand meiner Untersuchungen bildet.

Mein Forschungsprojekt nimmt vor allem die Gruppe der emigrierten ÄrztInnen und WissenschaftlerInnen in den Blick, die in die USA und nach Kanada gingen, wo die meisten auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges auch verblieben sind. Die These, die ich hier untersuchen und kritisch diskutieren will, bezieht sich insbesondere darauf, dass der Prozess der Zwangsmigration häufig drastische Veränderungen und Wechsel in den Karriereplänen und -aussichten der jeweiligen Personen nach sich gezogen hat. Mit Blick auf die untersuchten historischen Daten und Quellen soll gezeigt werden, dass die »Brain Gain Thesis« signifikant verändert werden muss; ein solcher Perspektivwechsel wirkt sich sowohl auf die Methodik des Verständnisses der Internationalisierung von medizinischer Forschung aus wie auch auf die Methodik der Migrationsstudien.

Während meiner Zeit am Bad Homburger Forschungskolleg Humanwissenschaften ist die (post-review) Überarbeitung des Buchmanuskripts in englischer Sprache mit dem o.g. Titel vorgesehen ‒ das Buchmanuskript ist momentan bei einer nordamerikanischen University Press eingereicht und befindet sich im externen Begutachtungsverfahren. (Frank W. Stahnisch)

Zusammenarbeit:
Frank Stahnisch ist auf Einladung des Direktors des Forschungskollegs Humanwissenschaften Matthias Lutz-Bachmann zu Gast am Kolleg. Sein Aufenthalt wird gefördert von der Alexander von Humboldt-Stiftung.

Wissenschaftliches Profil von Frank W. Stahnisch


Frank W. Stahnisch ist Historiker der Medizin- und Neurowissenschaften und hat 2001 an der Freien Universität Berlin promoviert. Er ist Inhaber des Lehrstuhls »Alberta Medical Foundation/Hannah Professorship in the History of Medicine and Health Care« an der University of Calgary. Stahnisch ist Herausgeber des internationalen Journal of the History of the Neurosciences sowie Assoziierter Herausgeber der internationalen Zeitschrift Frontiers in Psychology.

Forschungsschwerpunkte:
Geschichte und Philosophie der Biomedizinischen Wissenschaften; Entwicklung der modernen Physiologie und experimentalen Medizin; Geschichte der Neurowissenschaften und Psychiatrie; Entwicklung moderner medizinischen Visualisierungspraktiken.

Veröffentlichungen (Auswahl):
  1. (mit Lampard, J. Robert, Hogan, David B. und Wright, James R. Jr.), Creating the Future of Health: The History of the Cumming School of Medicine at the University of Calgary, 1967-2012, Calgary: University of Calgary Press, 2021.
  2. A New Field in Mind - A History of Interdisciplinarity in the Early Brain Sciences, Montreal and Kingston: McGill-Queens University Press, 2020.
  3. (hg. mit Mansell, Diana und Larsson, Paula), Bedside and Community: 50 Years of Contributions to the Health of Albertans from the University of Calgary, Calgary: University of Calgary Press, 2020.
  4. (hg. mit Kurbegović), Psychiatry and the Legacies of Eugenics: Historical Perspectives on Alberta and Beyond, Athabasca: Athabasca University Press, 2020.
  5. (hg.), Émigré Psychiatrists, Psychologists, and Cognitive Scientists in North America since the Second World War, Berlin, Germany: Max Planck Institute for the History of Science, 2018.
  6. (hg. mit Guel Russell), »New Perspectives on Forced-Migration in Neuroscience during the Twentieth Century«, in: A Special Issue of Journal of the History of the Neurosciences, 25/3 (2016).
  7. (mit Porter, Dorothy), Trading Zones and Boundary Work in the History of Medicine and Medical Humanities, Salt Lake City, UT: University of Utah Press, 2015.
  8. (mit Hoffmann, Thomas), Kurt Goldstein - Der Aufbau des Organismus. Einfuehrung in die Biologie unter besonderer Beruecksichtigung der Erfahrungen am kranken Menschen, München - Paderborn: Fink Verlag, 2014.
  9. Medicine, Life and Function: Experimental Strategies and Medical Modernity at the Intersection of Pathology and Physiology (= Aspects of Medical Philosophy Series, Bd.11, hg. von Chr. Hoffstadt), Bochum, Freiburg: Projektverlag, 2012.

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