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Frankfurter Allgemeine Zeitung
Kaiser und Kapitalismus
Neues Kolleg beginnt mit Historiker Clark

BAD HOMBURG. Christopher Clark hat schon einmal in der Kaiserloge der Erlöserkirche Platz nehmen dürfen, und auch andernorts dürfte der australische Historiker bei seinem ersten Aufenthalt in Bad Homburg auf die Spuren Wilhelms II. gestoßen sein. Bald kann Clark seine Eindrücke von der Kurstadt, die in den Jahren vor 1914 ein Treffpunkt des europäischen Adels war, auffrischen und vertiefen: Vom 16. bis 30. Mai wird der Autor des Bestsellers »Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog« ein zweites Mal im Forschungskolleg Humanwissenschaften zu Gast sein.


Christopher Clark, Foto: Uwe Dettmar

Clark ist erster »Fellow« eines neuen Projekts, mit dem das wissenschaftliche Spektrum des Kollegs in den nächsten fünf Jahren erweitert werden soll. Das Historische Kolleg, das jetzt die Arbeit aufnimmt, ist ein Gemeinschaftsunternehmen des Forschungskollegs und des Historischen Seminars der Frankfurter Universität: Zunächst bis 2018 werden jedes Jahr Forscher zu einem anderen Themenschwerpunkt nach Bad Homburg eingeladen. Sie sollen dort Ideen für neue Arbeiten entwickeln, an Kongressen teilnehmen, publizieren und öffentliche Vorträge halten. Außerdem werden Clark und andere Gelehrte für Veranstaltungen in Bad Homburger Schulen zur Verfügung stehen, wie der Direktor des Forschungskollegs, Matthias Lutz-Bachmann, gestern sagte.

Cambridge-Professor Clark ist der prominenteste Besucher im ersten Jahr des Historischen Kollegs, das dem Gedenkjahr 1914 und seinem publizistischen Widerhall in der Gegenwart gewidmet ist. 2015 soll es um die verschiedenen Formen des Kapitalismus gehen, die sich in der östlichen und westlichen Welt entwickelt haben. Weil ihn dieses Thema nach eigenen Worten persönlich interessiert, wird der Unternehmer Stefan Quandt für das Kolleg 100 000 Euro bereitstellen.

Im globalen Wettbewerb stehe sich Deutschland mit seinen strengen Auflagen etwa bei der Genehmigung eines Flughafen-Ausbaus »manchmal sehr im Wege«, äußerte Quandt, einer der reichsten Männer Deutschlands. Aber auch der »robuster« agierende asiatische Kapitalismus könne nicht uneingeschränkt als Vorbild dienen. Das Für und Wider der verschiedenen Modelle sollen die Gastforscher in Bad Homburg nach Quandts Wunsch »nüchtern und sachlich analysieren«.

Mit der Reformation und ihren Wirkungen wird sich das Kolleg laut seinem Koordinator Andreas Fahrmeir im Jahr 2016 beschäftigen. Im darauffolgenden Jahr werden die Forscher Imperien und ihre Endphasen in den Blick nehmen, und 2018 soll die Christianisierung zur Zeit der Antike im Mittelpunkt stehen. Für die Finanzierung sorgt außer Quandt auch die Mäzenin Dagmar Westberg, die schon zwei andere Projekte an der Goethe-Universität fördert. Sie stellt 350 000 Euro zur Verfügung, denn »Forschung ist etwas, das uns weiterbringt - hoffentlich«, wie sie gestern sagte.

Die Frage der 99 Jahre alten Stifterin, wie es mit dem Historischen Kolleg nach 2018 weitergehe, konnte Lutz-Bachmann nicht definitiv beantworten. Das Forschungskolleg Humanwissenschaften sei derzeit bemüht, sich neue Geldquellen zu erschließen: Man hoffe auf institutionelle Förderung etwa durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder das Land Hessen. Auf die Unterstützung der Stadt Bad Homburg, die für das Historische Kolleg 50 000 Euro bereitstellt, kann Lutz-Bachmann wohl in jedem Fall bauen: Nach Worten von Oberbürgermeister Michael Korwisi (Die Grünen) ist es in der Stadtpolitik Konsens, das Forschungskolleg auch künftig zu unterstützen. (Sascha Zoske)

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Rhein-Main/Hochschule, vom 18. Februar 2014, S. 46.

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