Das Forschungskolleg Humanwissenschaften: Veranstaltungen

Freitag, 29.04.2022, 15:00 Uhr
Ort: Forschungskolleg Humanwissenschaften, Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg

Forschungskolleg Humanwissenschaften
Vortrag und Workshop | Forschungsschwerpunkt »Coping with Complexity«

Rudolf Stichweh (Universität Bonn)
»Die Komplexität des Wissenschaftssystems der Moderne und die Probleme der Weltgesellschaft«

Über den Vortrag
Das moderne Wissenschaftssystem entsteht im Zeitraum der zweiten wissenschaftlichen Revolution der Jahre 1760-1840. Dabei gründet es auf Institutionen wie Disziplinarität, universeller Zugänglichkeit von Publikationsmöglichkeiten, individueller Autorschaft, dem Forschungsimperativ als Produktionsform von Wissenschaft, der Kontrolle von Konflikten und der Herausbildung nationaler wissenschaftlicher Communities in den neugebildeten Disziplinen. Der Vortrag skizziert diese Entwicklung und stellt in einem zweiten Argumentationsschritt die dramatischen Transformationen der Wissenschaft, die sie seit ihrem Beginn erfahren haben: Disziplinarität wird durch Inter- und Multidisziplinarität ergänzt; der Zugang zu Publikationen wird über vielfältige Formen des Peer Review transformiert; Forschung wird projektförmig reorganisiert und durch Abhängigkeit von externer Finanzierung und zugehörige Formen des Peer Review neubestimmt; an die Stelle von individueller Autorschaft treten extrem komplexe Formen der Ko- und Multiautorschaft; an die Stelle von Konflikten tritt die universelle Erwartung von Kooperation, die die kooperierenden Gruppen kompetitiv aufeinander bezieht; Anerkennung, Zitation und Reputation lassen eine komplexe Hierarchie der Forscher entstehen; an die Stelle von nationalen Communities tritt eine selbstverständliche und durch vielfältige Mechanismen unterstützte Globalität der Wissenschaft. Es ist unübersehbar, dass dieses Wissenschaftssystem durch eine Theorie der Komplexität beschrieben werden kann.

Diese Entwicklungen sind auf die Transformationen gesellschaftlicher Probleme bezogen, die in vielfältiger Weise mit der Wissenschaft verknüpft sind. In diesem Sinne muss jetzt in einem radikal neuen Sinn von ›Responsivität‹ des Wissenschaftssystems im Verhältnis zur Gesellschaft die Rede sein. Im Zusammenhang damit entsteht auch so etwas wie eine Verantwortung der Wissenschaft für die Probleme der Gesellschaft, da die Wissenschaft weiß, dass sie die Probleme am besten versteht und der Arbeit an Problemlösungen nicht ›desinteressiert‹ zusehen kann. Die fraglose Globalität der Wissenschaft hängt wiederum auf das Engste damit zusammen, dass die Probleme der Gesellschaft als Weltprobleme gedeutet und bearbeitet werden und oft in keiner anderen Form mehr gedacht und bearbeitet werden können. Der Komplexitätsaufbau der Gesellschaft und der Komplexitätszuwachs der Wissenschaft sind ein offensichtlicher Fall von Koevolution. Weltgesellschaft ist das Resultat und die Triebkraft dieser Transformationen.

Forschungsschwerpunkt »Coping with Complexity«
Die Gegenwart ist durch globale Krisen geprägt wie die Pandemie, der Klimawandel, erodierende Demokratien und Brüche in den geopolitischen Beziehungen. Trotz aller Unterschiede lässt sich eine Gemeinsamkeit all dieser Krisen beobachten: eine allen zugrundliegende Komplexität. Angesichts dieser bedrohlichen, aber unmittelbar bevorstehenden Herausforderungen für unsere Gesellschaft ist eine Forschung nötig, die diese Komplexität entschlüsseln kann. Hierfür ist ein Blick aus unterschiedlichen Richtungen unverzichtbar. Im transdisziplinären Forschungsverbund »Coping with Complexity« arbeiten Wissenschaftler:innen aus den Natur- und Lebenswissenschaften sowie Geistes- und Sozialwissenschaften gemeinsam an einem fundamentalen theoretischen Verständnis von Komplexität, um unsere Fähigkeiten im Umgang mit komplexen Systemen und damit verbundenen Krisen zu verbessern.

Projektleitung: Andreas Fahrmeir, Professor für Neuere Geschichte, Goethe-Universität; Harald Schwalbe, Professor für Organische Chemie und Chemische Biologie, Goethe-Universität; Julia Sigwart, Sektionsleitung Malakologie am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum.

Kontakt
Dr. Thomas Schimmer, wissenschaftlicher Projektreferent, Forschungskolleg Humanwissenshaften t.schimmer@forschungskolleg-humanwissenschaften.de


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