Kosmopolitismus in einem Kolleg
rnIm lebendigen Fellow-Sommer 2010 war der Direktor Zeitzeuge
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Vom Leitbild des Vaters in der frühen Bundesrepublik über die Rechte der Frauen im Iran bis zum »Kosmopolitismus in einem Land«: Die Themen, die in den vergangenen Monaten am Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität auf dem Programm standen, waren ähnlich vielschichtig wie die Zusammensetzung des Kollegiums. Die Fellows und Gastwissenschaftler arbeiteten historisch und philosophisch, rechts- und politikwissenschaftlich. Zu ihnen zählte Seyla Benhabib, Professorin für Politische Theorie und Philosophie an der Yale University, noch im vergangenen Jahr mit dem Ernst-Bloch-Preis ausgezeichnet und als »Politische Philosophin von Weltformat« gewürdigt. Zeitweise forschten mehr als zehn Fellows zugleich im Bad Homburger Kolleggebäude, das damit – wie auch das Gästehaus für die auswärtigen Wissenschaftler – bis auf den letzten Platz belegt war.

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»Wir sind auf einem guten Weg. Ich freue mich über die interessanten Forschungsprojekte und die anregenden Diskussionen«, sagt Prof. Spiros Simitis, der Direktoriumsvorsitzende des Kollegs, das zum Sommersemester 2009 seine wissenschaftliche Arbeit aufgenommen hat. Bei der Erörterung eines Kollegthemas wirkte der Jurist, zu dessen Schwerpunkten das Familienrecht zählte, nicht nur fachlich, sondern auch als Zeitzeuge mit. »Das Lächeln der Verfassungsrichterin - Das Ende des Patriarchats und die Suche nach Demokratie in der frühen Bundesrepublik« hieß ein öffentlicher Vortrag des Fellows Prof. Till van Rahden. Im Mittelpunkt stand ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1959. Damals erklärte das Gericht den sogenannten »väterlichen Stichentscheid«, wonach dem Vater die letztendliche Entscheidungsgewalt in der Familie zugesprochen wurde, für verfassungswidrig. Simitis gehörte als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu einer Gruppe von Juristen, die sich für die Aufhebung eben jenes Stichentscheids eingesetzt hatten.

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Kolleg-Direktor Prof. Spiros Simitis (rechts) berichtete als Zeitzeuge beim Vortrag des Fellows Till van Rahden (links),
in dem es um eine wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging

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Die Analyse des Urteils aus dem Jahr 1959 ist Teil eines Forschungsprojekts, das Till van Rahden unter dem Motto »Wie Vati die Demokratie lernte« zusammenfasst. Der Historiker an der Université de Montreal forschte auf Einladung des Exzellenzclusters »Die Herausbildung normativer Ordnungen« für etwas mehr als zwei Monate in Bad Homburg. Rund ein halbes Jahr war die iranische Rechtsanwältin und Menschenrechtlerin Shadi Sadr zu Gast. Unterstützt wurde sie von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und der Stiftung zur Förderung der internationalen wissenschaftlichen Beziehungen der Goethe-Universität. Shadi Sadr untersuchte das Verhältnis der iranischen Frauenbewegung zum sogenannten Green Movement, derjenigen Protest- und Reformbewegung, die im Jahr 2009 als Reaktion auf die umstrittenen Wahlen entstanden ist. Sadr war im Iran mehrfach verhaftet worden. Für ihr Engagement erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter den »International Women of Courage Award« des amerikanischen Außenministeriums.

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An einem gemeinsamen Dachthema forschten für mehrere Monate Prof. David Owen von der University of Southampton und Prof. Peter Niesen, TU Darmstadt und Angehöriger des Exzellenzclusters. Beide Wissenschaftler sind politische Philosophen. Ihr vom Cluster gefördertes Projekt, aus dem jetzt auch eine Publikation entsteht, umschreiben sie mit dem Stichwort »Kosmopolitismus in einem Land«. Gemeint ist eine vermittelnde Idee zwischen einer Welt, die aus voneinander abgegrenzten Staaten besteht, und dem Konzept eines Weltstaats als allumfassenden politischen Gemeinwesens. Kennzeichnend für diese Art von Kosmopolitismus wäre eine zunehmende grenzüberschreitende Bewegung und Beteiligung aller Bürger, auch dort, wo sie nicht Staatsangehörige sind. Das bereits existierende kommunale Wahlrecht von Wohnbürgern weist in diese Richtung.

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Neben dem Exzellenzcluster nutzt vor allem die Forschergrupe Justitia Amplificata die Möglichkeiten des Kollegs. Auf Einladung beider Einrichtungen arbeitete Seyla Benhabib, die auch auf der Cluster-Tagung über Menschenrechte an der Universität sprach, in Bad Homburg; hinzu kam die Förderung der Gerda und Alfons Kassel Stiftung, die ihren Aufenthalt ermöglichte. Auch zukünftige Fellows werden Impulse für die Frankfurter Forschung und Lehre geben. Die ersten neuen Gastwissenschaftler sind bereits im September eingezogen. Und ab Oktober wendet sich das Kolleg mit seiner Reihe »Warenästhetik - Neue Perspektiven auf Konsum, Kultur und Kunst« wieder an die interessierte Öffentlichkeit.

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Bernd Frye

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(UniReport der Goethe-Universität, Nr. 5 vom 14. Oktober 2010)

(FKH - 14.10.2010)
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